Chlüntel oder Klöntal?

Interview mit Peter Staub, Leiter Fachstelle Geoinformation des Kantons Glarus.
Von Martin Meier.

Peter Staub wirbelt ganz schön Staub auf. Er ist Leiter der Fachstelle Geoinformation des Kantons Glarus und damit für die Glarner Flurnamen zuständig. Mit seiner neuen Regelung trifft er nicht überall auf Gegenliebe.

Ein Interview von Martin Meier.

Peter Staub, Sie ersuchen die Verantwortlichen der Medien, in ihren Publikationen «konsequent die erneuerten Flurnamen mit ihrer offiziellen Schreibweise zu berücksichtigen». Hat der Kanton nichts Besseres zu tun?

Flurnamen sind ein Kulturgut und für viele Leute emotional wichtig. Wir mussten sie einmal bereinigen, da sie auch Bestandteil der amtlichen Vermessung sind. Bei vielen Flurnamen existierten Schreib- und andere, materielle Fehler. Dabei gibt es klare Richtlinien, wie man Flurnamen richtig schreibt.

Wo befinden wir uns denn hier bei unserem Gespräch?

In Glarus.

Warum nicht in Glaris?

Das ist eine dieser Schreibregeln: Wenn es um einen amtlichen Ortschaftsnamen geht, gilt streng die schriftsprachliche Schreibweise.

«Mir gefallen vor allem die exotischen Flurnamen wie Bös Fulen oder Arschwald.»

Welches sind Ihre Lieblings-Flurnamen?

Schwierig zu sagen. Im Kanton Glarus gibt es rund 6000 davon. Mir gefallen aber vor allem die eher exotischen. Spontan kommt mir da der Flurname Amerika in den Sinn. Der Name kommt in Bilten und Niederurnen vor. Herrliche Beispiele sind der Bös Fulen – namens-marketingmässig wohl ein worst case – oder der Arschwald in Näfels: Übrigens überhaupt nichts Unanständiges; der Begriff kommt von «Harst»!

In Ihrer Mitteilung schreiben Sie, dass das älteste Wildschutzgebiet nicht Fryberg Chärpf oder Freiberg Chärpf, sondern richtig Friberg Kärpf heisst. Die Gemeinde Glarus Süd redet aber in ihrem offiziellen Promotions-Video von einem Freiberg Kärpf. Was stimmt jetzt?

Das Ypsilon für ein langes «i» existiert in den Schreibregeln für Flurnamen nicht. Stimmen tut Friberg. Und Kärpf, nicht Chärpf, was ausschliesslich der lokalen Elmer Mundart entspricht. Also noch so ein Beispiel: Ihrer Meinung nach heisst es Schwammhöchi und nicht Schwammhöhe.

Dann muss das Restaurant «Schwammhöhe», das der Gemeinde Glarus gehört, jetzt also umbenannt werden?

Das liegt an der Gemeinde, ob sie das tun will: Wir dürfen einen Flurnamen nicht falsch schreiben, nur weil ein Restaurant so heisst. Fest steht: Kein Mensch sagt Schwammhöhe, ausser vielleicht ein Nachrichtensprecher.

Mister Flurnamen: Peter Staub hat die rund 6000 Glarner Flurnamen auf die richtige Schreibweise überprüft. Bild: Sasi Subramaniam

Wie ist es dann mit dem Namen Tierfehd, das gemäss den Schreibregeln Tierfed heisst? Da weiss ja nicht einmal die «oberste Instanz» Swisstopo, also das Bundesamt für Landestopografie, wie man den Flurnamen schreibt. Swisstopo schreibt ihn mit einem h. Wenn es aber um das Untere oder Hintere Tierfed geht, ohne h.

Das kommt noch hinzu (lacht). Das Bundesamt ist da nicht einmal konsistent. Es ist nun aber einfach mal so, dass es in der Schreibweise von Flurnamen kein so genanntes Dehn-«H» gibt. Swisstopo wird dies anpassen müssen. Das Bundesamt arbeitet da eng mit dem Kanton zusammen.

«Im Glarner Dialekt sagt man Guppenfiren, so wie man auch Tschingelhoren sagt.»

Woher stammt der Name Tierfed überhaupt?

Tier ist klar. Das kommt von Wild. Und Fed kommt wahrscheinlich von Fede, vom Jagen. Ich nehme daher an, dass der Flurnamen bedeutet, dass ab hier die Jagd wieder erlaubt war.

Zum Guppenfirn oder -firen: Noch nie, seit es Karten gibt, habe ich von einem Firen gelesen. Woher haben Sie diesen Flurnamen, diese «Gletscherleiche» ausgegraben?

Im Glarner Dialekt sagt man Guppenfiren, so wie man auch nicht Tschingelhörner, sondern Tschingelhoren sagt.

Aber jetzt mal halt. Die Braunwalder sprechen, wenn es ums Rennen geht, nicht von Hore-, sondern von Horä-Schlitten.

Da sind wir im freizeitlichen und nicht amtlichen Bereich. Für das Schweizerdeutsche gibt es bekanntlich keine verbindlichen Rechtschreibregeln.

Der Name Tödi stammt, Überlieferungen zur Folge, von «Ödi», also Ödnis. Müsste dann Mitlödi nicht Mittelödi heissen?

Hier geht es wieder um offizielle Ortschaftsnamen. Da gilt die schriftsprachliche Schreibweise. Wenn Mitlödi eine Alp wäre, würde man sie wahrscheinlich als Unter, Mittler und Ober Ödi bezeichnen. Mitlödi liegt ja zwischen Guppen- und Hansliruus. Ich kann mir vorstellen, dass da wirklich einmal eine Öde war.

«Das Klöntal heisst weiterhin Klöntal, weil es eine übergeordnete touristische Bedeutung hat.»

Ein persönliches Problem: Mein Nachbar ist ein Verfechter von Flurnamen und hat sein Haus vor Kurzem mit schmiedeisernem Schriftzug mit «Kieligen» angeschrieben. Dies laut Angaben einer fachkundigen Einzelperson. Sie haben jetzt aus dem Anfangs-K einfach ein «Ch» gemacht. Wie soll ich jetzt meinen Nachbarn beruhigen?

Das ist elend, furchtbar, aber: Der Name stammt eventuell von den Kühen ab. Und die Glarner nennen die Kühe nun mal Chüe. Jedenfalls spricht man «Chieligen».

Aber zum Klönen ist das Ganze schon: Heisst es jetzt Chlüntel oder Klöntal?

Jetzt kommen wir auf ein weiteres Spezialgebiet zu sprechen. Das Klöntal heisst weiterhin Klöntal, weil es eine übergeordnete, in diesem Fall eine touristische Bedeutung hat. Den Hausstock haben wir auch nicht in «Husstogg» umgetauft. Im Klöntal ist es jedoch so, dass der Zufluss nicht Klön, sondern Chlü heisst – gemäss der ortsüblichen Sprechweise.

Und in ein paar Jahren heisst alles wieder anders?

Selbstverständlich nicht: Wir haben an diesem Projekt lange gearbeitet – für die nächsten Jahrzehnte.

Dieses Interview erschien erstmals in der Südoschweiz vom 27.11.2018