Elektrizitätsversorgung der Gemeinde Engi
Von August Berlinger.
Gründung und Entwicklung
Engi ist die Gemeinde mit einem der frühesten Elektrifizierungsanfänge und der spätesten eigenen Elektrizitätsversorgung. Zwischen den beiden Daten liegt ziemlich genau ein halbes Jahrhundert. Auf die Gemeindeversammlung vom 2. Oktober 1898 hin, stellte die Firma Leonhard Blumer, Weberei Sernfthal (auch bei den folgenden Namenswechseln als Weseta genannt) das Gesuch, «es möchte ihr gestattet werden, behufs Gewinnung eines besseren elektrischen Lichtes im alten Geschäft [Bergen], entweder vom Wyer od. vom neuen Geschäft [Hinterdorf] weg der Dorfstrasse nach, Stangen zur elektrischen Leitung stellen zu dürfen.» Die Versammlung stimmte zu.
Kaum zwei Wochen später beschloss die Schulgemeindeversammlung, es sei die Weseta für die Schulhausbeleuchtung um Strom anzufragen und eine Kostenrechnung für die Installationen einzuholen. Letztere wurde dem Gemeinderat knapp eine Woche darauf vorgelegt mit dem Gesuch, «in Betracht etwelcher Benützung der Räumlichkeiten im Schulhause» durch den Tagwen (Gemeindekanzlei), einen Drittel der Kosten zu übernehmen. Der Gemeinderat bot einen Viertel an mit dem zusätzlichen Wunsch, es solle der Zugang zum Schulhaus von der Strasse her, «durch geeignete Plazierung von Lampen, der bisherigen Finsternis entrissen werden». Die Energie wurde in 130 V Gleichstrom vom Schulpräsidenten und Weseta-Inhaber Blumer gratis geliefert. ¹
Eine weitergehende öffentliche Beleuchtung war lange kein Thema. Bei der 1905 angestrebten Konzessionserneuerung für die von der Weseta bereits benützten Wasserkraft wollte der Gemeinderat, dass die Weseta «für die noch erforderliche Zahl von Lampen für eine Dorfbeleuchtung die Kraft gratis, wie den bisherigen Lampen zuleite». Die Bürger sahen mit Rücksicht auf den schlechten Geschäftsgang der Firma schliesslich davon ab. Im April 1911 erbat sich der Gemeinderat von den Stimmbürgern mehr Zeit, um die Frage einer Strassenbeleuchtung von der Säge bis zur Post (Hinterdorf) – besonders die Kosten – noch besser abklären zu können.
Bereits drei Monate danach wurde ein Vertrag mit der Weseta unterzeichnet. Diese hatte die Erweiterung um zwölf Lampen zu erstellen und zu betreiben und wurde mit 170 Franken pro Jahr entschädigt – 90 für die Kapitalzinskosten, 80 für die Amortisation. Der Strom selbst war gratis! Nebst den zehn Lampenstellen der Dorfstrasse entlang, erhielten die Brunnenplätze im Hinterbach und Bergen Licht, weil sich dort auch Hauptschieber der Wasserversorgung befanden. Mehr lag nicht drin, da die Weseta im Winter knapp an Energie war. 1921 kündigte die Weseta den bestehenden Liefervertrag für die Strassenbeleuchtung. Neu musste die Gemeinde für die 25 Strassenlampen à 32 Kerzen den normalen kWh-Preis von 54 Rappen bezahlen, immerhin mit 20 % Rabatt. ²
1918 erweiterte die Weseta ihre Energieanlagen und lieferte vermehrt Lichtstrom auch an Privathaushalte und Gewerbe, unter einschränkenden Bedingungen ebenfalls Wärme- und Kraftstrom. Für die «Normalkerze» (ca. 3.2 W) wurde bei Metallfadenlampen pro Jahr 50 Rappen verlangt, bei Kohlefadenlampen das Doppelte. Die «Birne» zu 16 Kerzen war die Norm. Für ein 400-Watt-Bügeleisen waren 15 Franken pro Jahr zu entrichten. Grössere Verbraucher wurden über Zähler mit 50 Rappen per kWh abgerechnet.
Im Laufe der Jahre geriet die Weseta-Kraftanlage erneut an ihre Kapazitätsgrenze. Da kam es Engi nicht ungelegen, dass im Frühjahr 1926 die Gemeinde Schwanden aus ihrem Werk (EWS) den Sernftaler Gemeinden Strom offerierte. Schwanden bot an, die Versorgungsleitung ins Tal selber zu berappen, verlangte aber eine Abnahmegarantie von 25’000 Franken pro Jahr. Da Matt bereit war, seinen ganzen Bezug neu zu regeln, waren die Bedingungen realistisch. An der Gemeindeversammlung vom 18. April opponierte der Weseta-Direktor dagegen und warb für eine eigenständige Sernftaler Lösung. Die Anwesenden beauftragten den Gemeinderat aber zu verhandeln. Nun ging das grosse Feilschen zwischen den Akteuren Engi, Weseta und Schwanden, später vereint mit der SN, so richtig schön los.
Für Schwanden konkretisierte sich 1927 die Realisierung der Sernf-Niederenbach-Werke. Dazu brauchten sie aber die bedeutenden Wasserrechte Engis am Sernf. Die Weseta wollte das lukrative Stromverkaufsgeschäft nicht an die Gemeinde verlieren und war daher an der neuen Bezugsmöglichkeit interessiert. Und Engi brauchte für seine Einwohner und den neuen Plattenbergpächter erheblich mehr Strom und wollte seine eigene Elektrizitätsversorgung, jedoch ohne die Weseta ernsthaft zu vergraulen. Der Gemeinderat liess sich im Auf und Ab dieses Verhandlungspokers von versierten Fachleuten beraten und war dadurch ein zäher Verhandlungspartner.
Das Ergebnis war ganz kurz zusammengefasst: Engi überlässt der SN seine Wasserrechte und erhält dafür auf 80 Jahre hinaus jährlich einen Wasserzins von maximal 9000 Franken und 85 kW Vorzugsenergie zu 2½ Rappen die Kilowattstunde, sowie auf 15 Jahre 250 kW Ergänzungsenergie zu 5 Rappen. Diese bevorzugten kW bezieht die Gemeinde über die Weseta, die weiterhin das Dorfnetz betreibt. Dafür bezahlt die Weseta eine jährliche Konzessionsgebühr von 4500 Franken im Minimum und rüstet das Dorfnetz auf eigene Kosten auf Wechselstrom um. Die beiden Transformatorenanlagen im Hinterdorf und im Wyden zwischen der Talversorgungsleitung und dem Dorfnetz samt den Gebäuden lässt die Gemeinde in ihren Kosten erstellen, diejenigen für die Fabriken die Weseta. Nach 15 Jahren hat die Gemeinde das Recht, das Dorfnetz zum dannzumaligen Wert zurückzukaufen. ³
Die bestehende Regelung über die Strassenbeleuchtung, bei der die Weseta die Erstellungskosten und die Gemeinde diejenigen von Unterhalt und Strom zu tragen hatten, wurde 1931 erneuert. Die dadurch anfallenden Kosten von etwa 450 Franken jährlich schienen dem Gemeinderat so hoch, dass er sich ausserstande sah, zu den bestehenden 31 Lampenstellen noch deren zwei bis drei im Hinterdorf einrichten zu lassen, wie es die Leute wünschten. Auch wollte er zwei bisher von Anwohnern getragene Lampen nicht ins Gemeindenetz integrieren. Offensichtlich mussten zuerst die angefallenen Leitungs- und Trafostationenkosten von rund 30’000 Franken verdaut werden.
1945 war der Zeitpunkt gekommen, von der Dorfnetz-Rückkaufklausel Gebrauch zu machen und den Weg zur eigenen Elektrizitätsversorgung zu ebnen. Die Gemeindeversammlung vom 13. Mai erteilte dem Gemeinderat «Vollmacht, zur event. Kündigung des Vertrages, sofern die diesbezügl. Beratungen mit technischen Fachmännern deren Ratsamkeit ergeben». Der Vertrag wurde in der Folge auf Ende 1946 gekündigt. Die Weseta reagierte prompt und stellte vorsorglich Rechnung von 108’662 Franken. Der beigezogene Experte bezifferte den Betrag nach diversen Auf- und Abrechnungen und Kompromissen auf 86’070 Franken. Im Kontobuch der Gemeinde steht unter dem Datum 2. August 1947 die Summe von 98’003.35 Franken. Der Strombezug von der SN erfolgte weiterhin über die Weseta. ⁴
Mit der Wahl der EW-Kommission durch den Gemeinderat sowie der Verabschiedung der Reglemente und der Wahl von Ortsmonteur und Verwalter an der Gemeindeversammlung vom 23. August 1947 war das Stromnetz operativ an die Gemeinde Engi übergegangen. Die erste Netzbauaufgabe war 1949 die neu erdverlegte Zuleitung zum Landesplattenberg mit Kosten von 800 Franken, wobei davon ausgegangen wurde, dass der Kanton als Besitzer 500 Franken daran zahlen und Baumeister Marti als Pächter die Grabarbeiten in Eigenregie ausführen werde. Im Jahr darauf waren 40 – 50 Leitungsstangen zu besorgen, die man aber auf Abruf beim Lieferanten lagern liess. Die Gemeindeversammlung vom 20. Mai 1951 entschied, es seien vom EWE die bisher privaten Hauszuleitungen entschädigungslos zu übernehmen und zu unterhalten. 1952 erhielt die TS Wyden einen Blitzschutz, woran die Weseta als Mitbenützerin die Hälfte zu übernehmen hatte.
1955 wurden 2000 Franken für die Strassenbeleuchtung von der Station Vorderdorf zum Höfli bewilligt, die man teilweise noch an den Sernftalbahnmasten befestigte. Zwei Jahre später wurden für die Beleuchtung der Allmeindstrasse trotz höherer Kosten Stahlmasten und Kabelleitungen favorisiert. 1960 erstellte man unterhalb der Villa für die Elektrizitätsversorgung ein Wohn- und Geschäftshaus, in dem Werkstatt, Laden und Monteurwohnung zusammengeführt werden konnten. Mit der Umstellung der Sernftalbahn (SeTB) 1969 auf Busbetrieb wurden deren Kraftanlagen nutzlos. Damit stand die Frage im Raum, ob die EVE die freiwerdende Gefällsstufe selber nutzen solle. Das Ingenieursgutachten kam zum Schluss, dass die eigentlich moderaten Gestehungskosten (3.6 Rp./kWh) unwirtschaftlich seien im Vergleich mit dem Vorzugsenergiepreis der SN von 2.5 Rp./kWh.
Um die inzwischen prekären Spannungsverhältnisse im Dörfli zu beseitigen, stand 1970 als nächstes grosses Projekt der Bau einer dritten Trafostation an, für welche 55’000 Franken bewilligt wurden. Die vierte Trafostation (TS ARA) beanspruchte 1978 fast den dreifachen Betrag. Der Neubau der EWS-Talversorgungsleitung mit der neuen Messtelle in der TS ARA erforderte 1983 Anpassungen an der Verbindungsleitung TS Hinterdorf – TS Wyden. Da die Weseta diesen Strang mitbenutzte, waren Erstellungsund Unterhaltskosten neu zu regeln. Auch die TS Wyden selbst wurde nach gut 50 Jahren Betrieb endlich auf Vordermann gebracht. Im folgenden Jahr war die fast gleich alte TS Hinterdorf an der Reihe. In den nächsten Jahren kam auch etwas Schwung in die Erneuerung des Leitungsnetzes, vorallem mit Verkabelungen.
Nach Jahrzehnten der «Ruhe» gab es nun auch Erschliessungen neuer Bauquartiere. Wegen des Umbaus des Primärnetzes von 8 auf 16 kV hatten die Engeler am 26. und 29. Juli 1986 zwischen 12.30 und 16.00 Uhr auf die zur Gewohnheit gewordene Elektrizität zu verzichten. Der Magazinanbau mit Garage am Geschäftshaus kostete 1989 ungefähr gleich viel wie 29 Jahre vorher das ganze Gebäude. Die folgenden Jahre waren gekennzeichnet durch starke Verkabelungstätigkeit. 1994 gliederte die Gemeinde der Wasserversorgung im neuen Reservoir Brunnengaden eine Trinkwasser-Maschinengruppe an, die sie sich 1997 von der EVE für 71’000 minus einen Franken abkaufen liess. Im neuen Traforaum der Weseta am Sägeplatz konnte im Jahr 2000 für rund 145’000 Franken eine eigene 400-kW-Anlage eingerichtet werden, womit netztechnisch EVE und Weseta ganz unabhängig voneinander wurden. ⁵
Betrieb und Finanzen
Am 1. August 1947 war vertragsgemäss das Dorfnetz juristisch von der Weseta an Engi übergegangen. Das Verwaltungsreglement vom 23 August hielt fest: Das Elektrizitätswerk ist ein Unternehmen der Einwohnergemeinde Engi; die Gemeindeversammlung ist zuständig für Organisation, Jahresrechnung und Ausbaukredite; der Gemeinderat ist verantwortlich für Personal, Aufstellung der Reglemente und Tarife sowie Vertretung bei Rechtsstreitigkeiten; die Verwaltungskommission (EW-Kommission, EWK) ist Bindeglied zu Gemeinderat und -versammlung und hat die Aufsicht über das Tagegeschäft. Der Verwalter und der Ortsmonteur hatten eine Bürgschaft von je 10’000 Franken zu leisten. Und natürlich ganz wichtig: Das EWE hatte die früher von der Weseta bezahlte Konzessionsgebühr von 4500 Franken jährlich der Gemeindekasse abzuliefern.
Ziemlich prosaisch sah das Tagesgeschäft aus. Der Glühlampenverkauf übertrug man mit einer bescheidenen Provision der Eisenhandlung und mit Anschlag wurde bekannt gemacht, dass «alle ins Fach einschlägigen Reparaturen durch das EWE ausführen zu lassen sind». Den Verrechnungslohn des Monteurs setzte man mit 3 Franken per Stunde fest und die Stundenentschädigung für die Monteurhilfsdienste des Schulabwartes betrug 1.80 Franken. Die Anschaffung einer Schreibmaschine für den Verwalter verschob man auf das nächste Rechnungsjahr. Die erste Spitzenstromabrechnung der Weseta Ende 1948 erschien den Verantwortlichen so kompliziert, dass man sie dem Vertrauens-Ingenieur zur Begutachtung übergab. Wegen der schweizweiten Winterstromknappheit wurde 1949 die Strassenbeleuchtung von 22.30 bis 5 Uhr ausgeschaltet und die Haushalte ersucht, wenn immer möglich nicht (!) elektrisch zu kochen.
1950 wurde ein Antrag auf Erstellung eines Gebäudes mit Monteurwohnung, Werkstatt und Laden wegen Finanzknappheit verschoben. Man war derart sparsam, dass der Verwalter seinen Posten zur Verfügung stellte, weil er weniger als ein Gemeindearbeiter verdiente. Die vom Eidg. Starkstrominspektorat (ESTI) verlangten Hauskontrollen wollte man nicht auf einmal der Pro Radio übertragen, da der Monteur nicht alle Mängel fristgerecht erledigen könne. Das EWS erledigte die Aufgabe in den folgenden Jahren etappenweise und stellte wenn möglich aushilfsweise einen Monteur zur Verfügung. An die verlangten Änderungskosten gewährte das EWE 10 % Rabatt, allenfalls von ihm mangelhaft erstellte Änderungen hatte es gratis anzupassen. 1955 verlangten die Rechnungsrevisoren, EW-Betrieb und Hausinstallationsgeschäft seien getrennt abzurechnen und die Stromverkäufe nach «Sorte» (Licht, Kraft, Wärme) auszuweisen.
Der neue EWK-Präsident hatte 1956 einen maroden Betrieb zu übernehmen. Der ESTI-Kontrollbericht hielt fest: Das Leitungsnetz sei in desolatem Zustand, beim nächsten Vorfall werde an das Eisenbahndepartement (oberste Behörde) Anzeige erstattet; im Berichtsjahr 1955 seien nach den Installationskontrollen die Mängel nicht behoben worden; im Materialmagazin sei eine unbeschreibliche Ordnung. Der dafür verantwortliche Monteur war Engi 1947 vom EWS empfohlen worden, da für den vorrangigen Freileitungsnetzunterhalt kein Elektroinstallateur notwendig und er dazu unter seiner Aufsicht sei. Da diese Lösung «günstig» war, ging Engi damals darauf ein. Der Monteur wurde Ende 1958 verabschiedet. Kurze Zeit nach der ESTI-Schelte konnte der Betriebsleiter melden, dass die gröbsten Mängel behoben seien und der Rest umgehend erledigt werde, sobald kein Kulturschaden mehr entstehe.
Die folgenden Jahre waren angefüllt mit Mängelbehebungen im Freileitungsnetz, die teilweise noch in die Weseta-Zeit zurückreichten. Alles eigentlich «einfache» Sachen: Nullungen nachziehen, Erdungen verbessern, viele Stangen auswechseln und alle bezeichnen, Netzplan nachführen. Parallel dazu wurde Ordnung in die Installationskontrollen gebracht und das lange geforderte Verzeichnis – wenn auch langsam – systematisch angelegt. Ab 1960 waren die Trafostationen an der Reihe: Schutzgitter anbringen, Erdungen verbessern und einiges mehr. Alle diese Bemühungen wurden auch vom ESTI anerkannt. Parallel dazu mussten, um die leidigen Verbrauchsspitzen in der Mittagszeit zu brechen, Sperrschalter montiert werden und der Bäcker hatte zu dieser Zeit den Ofen abzuschalten.
Mit dem Neubau des eigenen Betriebsgebäudes 1960 wechselte man den Namen auf Elektrizitäts-Versorgung. Nicht gewechselt hatten die vergangenen 30 Jahre die Tarife. Der kWh-Preis war für Licht immer noch 45 Rp., für Kraft 6 Rp. und für Wärme sommers 4, winters 8 Rp. Erst 1977 erfolgte eine provisorische lineare Tariferhöhung um 2 Rp./kWh bei Wärme und Kraft – Licht blieb bei 45 Rp./kWh. Auch die Zahlungsmoral wechselte kaum. Ein Lichtblick war jener einsichtige Abonnent, welcher einen Münzzähler verlangte, damit die Familie besser spare. Wenig Einsicht zeigten hingegen jene Bauern, die es sich zur Angewohnheit gemacht hatten, an die pauschal verrechnete Lichtinstallation unerlaubterweise noch zusätzliche Handlampen und Weiteres anzuschliessen.
Weil sich in der Schweiz einiges in der Wasserzins- und Tariflandschaft bewegte, sicherte sich Engi 1973 den Rat eines Energieökonomen. Erste Verhandlungsversuche blockte die SN mit der Begründung ab, das EWS sei Lieferantin. Engi liess sich auf dieses Versteckspiel nicht ein und beharrte auf den grundlegenden Punkten des Wasserrechts-Abtretungsvertrags mit der SN von 1930. Mit Blick auf den künftigen Ergänzungsenergiebezug wies Engi auf die markant gestiegenen Wasserzinsen hin und wollte wie die SN-Aktionärsgemeinden behandelt werden. Man einigte sich dahin, dass die SN weiterhin der Partner für die bevorzugten Energiemengen sei und das EWS die weitere Ergänzungsenergie zum jeweiligen NOK-Tarif(!) minus 12 % liefere. Aus dieser Situation ergab sich, dass 1979 der Einheitstarif eingeführt wurde mit einer Grundgebühr von 12 Franken pro Zähler und 13 Rp./kWh im Hochtarif resp. 7 im Niedertarif.
Ab 1970 liess sich die Ortsgemeinde beträchtliche Summen – meist für Strassenprojekte – auszahlen. Andererseits wollte sie aus Kostenrücksichten keinen zweiten, vom ESTI angeregten und auch dringend benötigten, gelernten Elektroinstallateur einstellen und mit ungelernten Aushilfen weitermachen. 1976 konnte der pensionierte langjährige Betriebsmonteur durch einen Fachmann mit Meisterprüfung ersetzt werden. Als indirekten Hilferuf kann der Brief des ebenfalls neuen Betriebsleiters an das ESTI interpretiert werden, in dem er schrieb, es seien seit vier Jahren keine Installationskontrollen mehr durchgeführt worden, der Zustand der Trafostationen machten ihm Sorgen und der Netzunterhalt leide, weil die finanziell angeschlagene Gemeinde die dafür nötigen Mittel anderweitig verwende.
1991 scheint sich die finanzielle Lage gebessert zu haben, denn für die Einführung der EDV konnten 43’000 Franken gesprochen werden. Im folgenden Jahr wurde die Anschaffung einer Rundsteueranlage (Fr.110 000 Fr.) bewilligt, die den eigenen Bedürfnissen gerecht wurde. 1994 löste das neue EV-Reglement dasjenige von 1931 ab. Mit dem Energienutzungsbeschluss (ENB) des Bundes und der darin festgehaltenen Pflicht für örtliche Stromverteiler, Kleinkraftwerken die Energie zu durchschnittlich 16 Rp./kWh abzunehmen, brauten sich ab 1995 über der kleinen EVE dunkle Wolken zusammen. Einerseits überlegte sich die Schreinerei Cotti ihre Kraftanlage wieder zu reaktivieren und andererseits bestand die Weseta nach einem entsprechenden Bundesgerichtsentscheid darauf, dass ihr die gesamte Produktion ihrer beiden Werke zu den neuen Bedingungen abgenommen werde.
Eine buchstabengetreue Umsetzung der ENB-Richtlinien hätten entweder tiefrote Zahlen für die EVE oder unüblich hohe Tarife für die Bezüger bedeutet. Mit einem Kompromiss aller Beteiligten konnte das Allerschlimmste für die EVE abgewendet werden. Die Weseta gab sich mit 13 Rp./kWh für die Rücklieferungen zufrieden, welche das EWS resp. die SN zu 95 % und die EVE mit 5 % übernahmen. Ab 2003 waren die Eckwerte: 12 Rp./kWh, 88 und 12 %. 2002 ging die bis dann selbständige EV-Verwaltung an die Gemeindeverwaltung über. Beim Betrieb lief es bis zum Übergang zu den Technischen Betrieben Glarus Süd Ende 2010 mit dem Betriebsleiter, einem Elektroinstallateur, zwei Lehrlingen und zwei Hilfskräften weiter.
Eine interessante Innensicht der EVE-Geschichte mit weiteren Details vermittelt der Beitrag der ehemaligen EVE-Verwalterin Elfie Luchsinger im Neujahrsboten 2006. ⁶
Trinkwasserkraftwerk Brunnengaden
Mitte 1993 bewilligte die Gemeindeversammlung einen Kredit von 75’000 Franken für die Turbinierung der neu gefassten Üblitalquellen im Reservoir Brunnengaden. Um die Höhendifferenz von 230 Metern der anfallenden 6.5 Minutenliter in Strom umzuwandeln, wurde eine 12-kW-Turbal-Peltonturbine und ein 15-kW-Bartholdi-Asynchrongenerator installiert. Im Herbst 1994 ging die Anlage ans Netz. Sie sorgte wegen des Betriebsgeräusches in der Nachbarschaft für Unmut, den der Betriebsleiter mit einer simplen Isoliermatte aus der Welt schaffen konnte. Engi hatte endlich seinen selbstproduzierten Strom! 1997 übernahm die EVE die Anlage von der Ortsgemeinde für 70’999 Franken. ⁷
Kraftwerk Weseta
Die Weseta betrieb im Laufe der Zeit Stromerzeugungsanlagen an drei Orten: Im Bergen in und nachher bei der Fabrik Vorderdorf, im Wyer parallel zu den Sernftalbahn-Maschinengruppen und bei der Fabrik im Hinterdorf. Die im Hinterdorf wieder aufgebaute Weberei wurde ab 1898 mit Strom für Licht und Kraft versorgt. Diese Anlage leistete bei 2 m³/s 150 PS (Turbine), resp. 120 kW (Generator) – mehr ist nicht zu erfahren. 1903 verhandelte die Weseta mit der Gemeinde über Abgabe des Restwassers aus dem Reservoir und im November 1904 wurde dieses an die neue Turbine in der Zentrale im Wyer abgegeben. Über deren Leistungen ist auch nichts bekannt.
1918 erweiterte die Weseta ihre bestehenden Energieanlagen im Bergen um ein Ausgleichs- und Geschiebeabsetzbecken mit 660 m³ Inhalt bei der Fassung im Atel und ein neues Turbinenhaus bei der Säge. Die Maschinengruppe bestand aus einer Francisspiralturbine von Bell mit einer Leistung von 150 PS bei einem Gefälle von 33 Metern und 0.5 m³/sec., sowie einem BBC-Asynchrongenerator von 130 kW. 1928 wurde die Maschinengruppe im Wyer ersetzt durch eine 40-PS-Turbine und einen 30-kW-Generator mit 145 V und 150 A. In den 1950ern baute man im Hinterdorf eine neue vertikalachsige Kaplanturbine (230 kW) mit direkt gekoppeltem Generator (250 kVA) ein.
Weil das Kraftwerk am Mühlebach mit der Gefällstrecke vom Üblital bis zur Säge 1999 nicht zu Stande kam, wurde das bestehende Werk erneuert und mit einer Ossberger-Turbine (150 kW) mit direkt gekuppeltem Bartholdi-Generator (170 kVA), sowie neuer Steuertechnik versehen. 2009 kam das «grosse» Mühlebachwerk mit den Partnern Weseta-Kraftwerke, SN und Engi doch noch ans Netz. Bei einem Gefälle von 350 Metern und 1.1 m³/sec. leistet die fünfdüsige Andriz-Hydro-Peltonturbine 3.6 MW und der direkt gekoppelte Leroy-Somer-Generator 3788 kVA. Und zur Abrundung noch die Eckdaten des 2013 ans Netz gegangenen neuen Werkes im Hinterdorf: Kompaktanlage (Kaplan vertikalachsig) von Andriz-Hydro, 8.2 m Gefälle, 7 m³/sec. Wasserdurchfluss, 522 kW Leistung. ⁸
Kraftwerkspläne am Mühlebach
Die Liste der Kraftwerksprojekte, bei denen der Mühlebach eine Rolle spielte, ist eindrücklich – diejenige der Realisierungen ernüchternd. 1908 schloss sich die Gemeindeversammlung vom 24. Mai der Meinung des Gemeinderates an, mit der von Bürgerseite angeregten Projektierung eines Mühlebachwerkes noch zuzuwarten. Als jedoch Ende Jahr Pläne, Beschriebe und Berechnungen aus privater Initiative vorgestellt wurden, war das Interesse geweckt. An der Versammlung vom 2. Mai 1909 wurde mitgeteilt, «dass man ohne unser Zutun u. Auftrag in den Besitz einer erheblichen Zahl von Plänen u. Berechnungen für ein Elektrizitätswerk am Mühlebach gekommen» sei.
Dieses Projekt sah die Ausnützung der Gefällstufe vom Üblital bis ins hintere Atel vor, sollte 1600 PS maximal leisten und 280 – 400’000 Franken kosten. Die Versammlung beauftragte den Gemeinderat mit der Beschaffung eines Detailprojektes und der kantonalen Konzession. Das neue Projekt wurde um ein grosses Staubecken mit entsprechender Mauer ergänzt und hätte bei einer Maximalleistung von 2400 PS 900’000 Franken kosten sollen. Es war daher auch für die Versorgung des ganzen Tales und der Fabriken von Jenny in Ziegelbrücke vorgesehen. Das erloschene Interesse der letzteren liess das Projekt 1911 scheitern. In einem Bericht an die Baudirektion über Ausbaupotentiale im Kanton tauchte 1912 erstmals eine Kombination von Krauch- und Mühlebach sowie Sernf auf.
Wegen der Kohlenknappheit im Ersten Weltkrieg schossen in der ganzen Schweiz Kraftwerksprojekte wie Pilze aus dem Boden, auch am Mühlebach. Die ersten waren 1916 Locher & Cie., Zürich. Sie gingen von einem um die Murgseegegend vergrösserten Einzugsgebiet und drei Gefällstufen mit Zentralen im Üblital, im Wyer und in Schwanden sowie einer Bruttoleistung von 40’000 PS aus. Die Gemeindeversammlung vom 10. Dezember war bereit, auf das Bauvorrecht, nicht aber auf die Wasserrechte zu verzichten. Die nächste war 1917 die NOK, die in ihrem Projekt das Einzugsgebiet mit dem Niederenbach nochmals erheblich vergrösserten und auf Mettmen zwei Jahresspeicherseen vorsahen (Brutto 58’000 PS). Doch auch diese Projekte blieben bloss Papier. Im Zusammenhang mit dem Lieferangebot 1926 von Schwanden, kam es nochmals zu Studien, die auch kein befriedigendes Resultat ergaben. ⁹
An der Gemeindeversammlung vom 18. Mai 1947 nahm der Gemeinderat einen Antrag «zur Einholung von Plänen und Kostenberechnungen für ein Gemeindekraftwerk am Mühlebach» an – weiter fehlt jede Spur. Gleiches Szenario 1954. Im August 1981 lud der Gemeinderat Engi die Nachbargemeinde Matt zu einer Vororientierung über ein Kraftwerksprojekt Mühlebach/Krauchbach ein. Da aus Sondierbohrungen in den Sechzigerjahren bekannt war, dass sich im Krauchtal Wasser nicht verlustlos stauen lässt, wollte man dieses Wasser ins Mühlebachtal überleiten. Dort war vorgesehen, im Gamserkessel ein Tagesausgleichs- und Wochenendspeicherbecken zu bauen, ab dem eine Druckleitung nach Engi führen sollte. Man konnte davon ausgehen, dass die jeweils untenliegenden Werke in ihrer Produktion kaum gestört würden.
Weitere Studien folgten mit dem Resultat, dass eine installierte Leistung von gut 10 MW realistisch sei. Im Januar 1988 gründeten die drei Sernftalgemeinden zusammen mit der SN die «Interessengemeinschaft Sernftaler Wasserkräfte». Diese gab umgehend beim Kanton ein Gesuch um einen KLL-Energieanteil ein, um die starke Sommerlastigkeit der erwarteten Produktion auszugleichen. Der Entscheid des Kantons 1989, seinen Energieanteil nicht für kantonsinterne Projektförderung einzusetzen und die bisherigen Verwerter – NOK und SBB – zu berücksichtigen, gab dem Projekt den Todesstoss.
1999 haben die Initianten einer Kraftwerk Mühlebach AG die Gemeinde Engi eingeladen, sich daran zu beteiligen. Vorgesehen war die Ausnützung des Gefälles vom Üblital bis zum Sägeplatz. Die Gemeinde hätte als Sachleistung ihre Wasserrechte einbringen sollen. An der Gemeindeversammlung vom 19. November wurde ein Beitritt grossmehrheitlich abgelehnt, weil ein unwiederbringlicher Verlust der Wasserrechte befürchtet wurde. Damit war die Sache vom Tisch. Beim zweiten Anlauf 2007 waren die Wasserrechte zwar zur Verfügung zu stellen, aber nicht abzutreten. Der Gemeindeanteil am Aktienkapital war in Geld einzubringen. Die Gemeindeversammlung beschloss fast einstimmig, sich am Werk zu beteiligen und den Anteil von 10 auf 15 % zu erhöhen. Im März 2009 ging das Werk ans Netz und Engi war kurz vor der Gemeindefusion noch zweiter Kraftwerkeigentümer geworden. ¹⁰
Statistik: Elektrizitätsversorgung Engi
Gegründet: 1947
Lieferanten: WESETA, EW Schwanden, SN
Eigenwerke: Trinkwasserwerk Brunnengaden (ab 1994), Mühlebachwerk WESETA Kraftwerke AG (ab 2009; Beteiligung).
1910 | 1935 | 1960 | 1985 | 2010 | |
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Mitarbeiter, inkl. Leitung | 2 | 5 | |||
Umsatz Werk (CHF) | 41’405 | 66’626 | 415’040 | 823’057 | |
Umsatz Installationsabteilung (CHF) | 14’259 | 21’588 | 405’110 | 345’501 | |
Wert Strassenbeleuchtung (CHF) | 662 | 662 | 4’951 | 6’900 | |
Stromabsatz (MWh) | 476 | 2’653 | 4’000 | ||
Eigenproduktion (MWh) | ~70 | ||||
Kabelnetz MS (m) | ~1’500 | ||||
Freileitungsnetz MS (m) | 1’000 | ~1’450 | |||
Trafostationen Ebene 6 (Stk.) | 2 | 2 | 4 | 5 | |
Kabelnetz NS (m) | 800 | ~15’000 | |||
Freileitungsnetz NS (m) | 8’500 | ~6’500 | |||
Rundsteuerungsanlagen (Stk.) | durch EWS | 1 | |||
Anschlüsse MS (Stk.) | 1 | ||||
Anschlüsse/Abonnenten NS (Stk.) | ~370 | ~550 | |||
Strassenlampen (Stk.) | ~5 | 31 | 42 | 105 |
Betriebsleitung | |
---|---|
1947 – 1954 | Mathias Marti, EWK-Präsident |
1954 – 1956 | Fritz Kubli-Vontobel, EWK-Präsident |
1956 – 1976 | Mathias Blumer-Baumgartner, EWK-Präsident |
1976 – 1982 | Hans Heierle-Luchsinger, EWK-Präsident |
1982 – 2010 | Hans Zweifel |
Ortsmonteure | |
---|---|
1947 – 1958 | Johannes Bäbler-Speich |
1959 – 1976 | Hans Baumgartner-Uhler |
1976 – 2010 | Hans Zweifel |
Verwaltung | |
---|---|
1947 – 1962 | Jakob Baumgartner-Schindler |
1962 – 1971 | Jakob Marti-Schrepfer |
1972 – 1990 | Karl Stadler-Schnellmann |
1990 – 2001 | Elfie Luchsinger |
2002 – 2010 | Gemeindeverwaltung |
Dieser Text ist ein Auszug aus «Strom fürs Glarnerland» von August Berlinger, erschienen 2022 und erhältlich im Buchhandel (ISBN 978-3-033-09268-6).
Beiträge in dieser Serie
- Strom fürs Chliital
- Wissensertes zur Stromversorgung
- Elektrizitätsversorgung der Gemeinde Engi
- Elektrizitätsversorgung der Gemeinde Matt
- Elektrizitätswerk der Gemeinde Elm
- Quellen: Strom fürs Chliital