Elektrizitätsversorgung der Gemeinde Matt

Der Traum vom eigenen Kraftwerk.
Von August Berlinger.

Gründung und Entwicklung

Die Geschichte des Elektrizitätswerks Matt ist eng verknüpft mit der Wasserkraftanlage der Spinnerei Spälty am Krauchbach. Gemäss Vertrag vom 1. Juli 1867 überliess der Tagwen Matt den Brüdern Rudolf und Caspar Spälty aus Netstal die Wasserkraftnutzung des Krauchbaches «von der neuen Landstrasse bis zur Waldibachruns». Weiter stellte er Steine, Sand und Holz für den Fabrikbau zur Verfügung und übernahm den Bau der Wasserfassungseinrichtungen. Dies alles um geregelten Verdienst in die Gemeinde zu holen – von elektrischem Licht war zu diesem Zeitpunkt noch keine Rede. Dies änderte sich, als Spälty 1901 seine Wasserfassung weiter nach oben «zu den grossen Steinen» (Kesselwand) verlegen wollte.

Ausschnitt aus dem GV-protokoll vom 11.9.1902 mit
der Genehmigung des Vertrages mit Spälty.

Der Gemeinderat zeigte sich zu Verhandlungen bereit, wollte aber neben dem Weiterbestand von Holzreistrechten und anderem, dass Spälty «wenn möglich» Kraft zu elektrischem Licht abtrete. Auch solle die Firma überzählige Kraft den Bürgern zu gleichen Bedingungen überlassen, «wie sie Herr Ständerat Blumer in Engi abtritt». Und auch für später ganz wichtig, es solle bestimmt werden, «dass die Conzession wieder dem Tagwen zufalle, wenn das Geschäft abbrennen sollte.» Die Gemeindeversammlung vom 14. April erteilte in diesem Sinne das Verhandlungsmandat. ¹

Das Vertragsdokument vom 15. April 1902 enthält weder Bestimmungen zu einem Konzessionsrückfall noch über Abtretung von Strom für die öffentliche Beleuchtung, hingegen eine Klausel, die Spälty rundweg verbietet, elektrische Kraft ausserhalb der Gemeindehuben zu verwerten. Ein Jahr später ging die neue Anlage ohne Strom für die Strassenbeleuchtung in Betrieb. Aber beim Gemeinderat blieb die Sache pendent und er beantragte der Gemeindeversammlung vom 13 März 1904 «Aufnahme von Plänen um Erstellung eines Wasserwerkes am Berglibach». Das Projekt wurde verschoben, um nicht allfälligen (Strom)Interessen der im Aufbau befindlichen Sernftalbahn in die Quere zu kommen. ²

In keinem Dokument erwähnter Plan aus dem Jahr 1904 oder
1905.

Fragen wirft ein nirgends erwähnter Plan mit dem Titel «Projekt eines Elektrizitätswerkes für die tit. Gemeinde Matt» auf, datiert auf Dezember 1904, resp. 24. Juni 1905. Abgebildet ist ein Verteilnetz mit drei Hauptsträngen und offensichtlichem Beginn in der Spinnerei. In der Aufstellung sind vermerkt: Lampenspannung 220 Volt, 300 Hauslampen à 16 «Kerzen» sowie Heiz- und Kochapparate für die Villa Spälty und das Fabrikbüro. Klar hingegen ist der Auftrag der Frühlingsgemeindeversammlung vom 17. März 1908 zur Beschaffung von Plänen und Kostenberechnungen für Gewinnung von elektrischer Kraft am Berglibach. Die entsprechenden Arbeiten zogen sich hin, da der Gemeinderat verschiedene Anliegen betreffend Fassung und Leitungsführung berücksichtigt haben wollte.

 Strombezügeraufstellung auf dem Netzplan der Gebrüder Gmür in
Schänis von 1904/05.

In diese Aktivitäten platzte im Januar 1909 die Einladung des Gemeinderates Engi zu einer Besprechung aller Sernftalgemeinden «betreffend eines gemeinsamen Elektrizitätswerkes am Mühlebach». Die Matter liessen trotzdem ihre Projektarbeiten weitertreiben und erhielten im Juli die nötigen Unterlagen zum Studium. Im Januar 1910 reichte Engi ein Konzessionsgesuch für das Mühlebachwerk beim Regierungsrat ein, welcher die Meinungen der Nachbargemeinden einholte. Matt liess wissen, man sei gegen den geplanten Stromexport an Jenny in Ziegelbrücke und wolle diese Energie zu Gestehungskosten für das Sernftal. Dafür sei man bereit, sich am Werk finanziell zu beteiligen. Engi verzichtete im folgenden Jahr wegen hoher Kosten und mangelnden Absatzaussichten bei Nachbargemeinden und Sernftalbahn auf den Bau. ³

Ausschnitt aus dem GV-protokoll vom 17.3.1908 mit dem Antrag auf
Gewinnung von elektrischer Kraft.

Dass auch Matt in der Folge auf sein bisheriges Projekt verzichtete, ist 1914 im «Bericht über die Einführung der elektrischen Energie in der Gemeinde Matt» nachzulesen. Darin wird neu vorgeschlagen, die Elektrizitätserzeugung mit einem eher früher als später notwendigen leistungsfähigen Hydrantennetzbau zu verbinden. Wasserfassung und Reservoir sollen weiterhin am Berglibach auf knapp tausend Metern zu stehen kommen, das Maschinenhäuschen mit zwei Maschineneinheiten von je 30–40 «Pferd» (PS) am Sernf. «Alle diese Bauten [...] sollen solid, aber unter Einhaltung möglichster Einfachheit, ausgeführt werden.» Das Verteilnetz solle für 250/145 oder 350/200 Volt ausgelegt werden. Kostenpunkt: 61’000 Franken.

Bericht über die Einführung der elektrischen Energie
1914.

Die Vorlage kam an der ausserordentlichen Gemeindeversammlung vom 17. Januar 1915 zur Beratung und fand Zustimmung. Im Versammlungsprotokoll vom 13. Mai 1917 sieht das Vorhaben etwas anders aus. Die anhaltenden Kriegsverhältnisse hatten die eigene Kraftanlage verhindert. Mit Fabrikant Spälty konnte jedoch ein Stromliefervertrag für 4’000 «Kerzen» (ca. 14 kW) ausgehandelt werden und die Gemeinde liess daraufhin einen Teil des Verteilnetzes für 3’000 Franken erstellen. Spälty hatte die Gunst der Stunde genutzt, eine leistungsfähigere Turbine installieren lassen und bot nun der Gemeinde die doppelte Energieleistung an. Bereits die Herbstversammlung trat auf das Angebot ein und bewilligte 12’500 Franken für eine Netzerweiterung, womit «fast jedes Haus angeschlossen werden kann».

Kurzaufstellung des Matter Stromkonsums bei Spälty, 1923: 12000
«Kerzen» (42 kW), 70 Glätteisen (1.4 kW), 3 Motoren mit zusammen 10 PS
(7.4 kW) und 2 Motoren mit zusammen ½ PS (0.4 kW) = 51.2
kW.

Wie überall, stieg die Nachfrage nach Lichtstrom und wurden auch Wünsche für Wärmestrom laut. Daher wurde Ende 1924 ein Versammlungsantrag gutgeheissen, der Gemeinderat habe sich um mehr Strom zu bemühen. Dieser berichtete am 10. Mai 1925, Spälty könne seine Stromproduktionsanlagen nicht ausbauen. Weiter habe er alle ausbeutbaren Gewässer prüfen lassen, doch keines könne den erwarteten Bedarf decken – auch der Berglibach nicht. Hingegen wolle das EW Schwanden (EWS) ausbauen und habe sich daher Strom von der NOK gesichert. Es könne sich eine Belieferung von Engi und Matt zu gleichen Konditionen wie sie für die Grosstalgemeinden gelten vorstellen. Eventuell werde ein Leitungszuschlag verlangt, da rund 80’000 Franken investiert werden müssten.

Der Entscheid zum Bau des Sernf–Niederenbachwerkes brachte eine neue Situation und damit neue Verzögerungen. Erst Anfang 1931 sah sich das EWS imstande, ein vernünftiges Angebot zu machen: Auf zehn Jahre hinaus Lieferung zu 6½ Rp./kWh und eine jährliche Zuleitungspauschale von 500 Franken. Der Bau einer Trafostation (TS) sowie der notwendige Umbau des Netzes wurde auf 38’000 Franken veranschlagt. Im September kam nochmals ein Berglibachwerk in Diskussion, doch die Bürger entschieden sich für den Vertrag mit Schwanden. Bereits Ende Jahr war die Leitung von Engi nach Matt erstellt und das «Probezeit»-Reglement verabschiedet. Weiter wurde mitgeteilt, dass die Änderungskosten bis ans Tableau vom EWM übernommen würden.

Abspannmast der Weissenbergleitung neben der Turnhalle; ob dem
Tragbalken der Zwischenmast auf dem Felskopf,
2021.

Wer damit rechnete, man habe für eine Weile Investitionsruhe, hatte nicht mit den Weissenbergern gerechnet. Diese stellten nämlich bereits an die Frühlingsgemeindeversammlung 1934 das Begehren, auch sie seien mit der nun überall alltäglichen Energie zu versorgen. Die Bürger genehmigten diesen Antrag unter der Voraussetzung, dass Bund und Kanton diese Berg-Erschliessung zur Hälfte mitfinanzierten. Zwei Jahre später floss Strom in die Weissenberge. Wegen kriegsbedingt teurem und schlechtem Petrol wollten 1944 die Talbauern auch die abgelegenen Ställe im Bühl, Hänigen und Gruben ans Netz angeschlossen haben.

1952 brannte der Stangentrafo Weissenberge wegen Ölschaltversagen bei Föhnsturm aus. Man ersetzte ihn durch einen grösseren, liess ihn aber bei Knobel, Ennenda, für spätere Verwendung reparieren. Im gleichen Jahr einigte sich das EW Elm (EWE) mit dem EWS auf Stromlieferungen und beantragte, auf Matter Boden Leitungsstangen stellen zu dürfen. Da auch in Matt der Bedarf stieg, machte man sich erneut Gedanken über ein eigenes Werk, nun am Krauchbach. 1955 teilte der Gemeinderat mit, er sei am Verhandeln über die Wasserrechte. Im Jahr darauf machte ein Bürger Druck mit dem Antrag, es seien mit einem Fachmann die technischen und finanziellen Fragen für eine eventuelle Selbstversorgung abzuklären.

Die erste Trafostation in Matt beim Schulhaus, im Bild links unten,
in den 1930er-Jahren.

Für den Turnhallenbau musste 1959 die Trafostation abgebrochen und die Einrichtungen ins Untergeschoss des Neubaus versetzt werden. Dazu kamen Netzerweiterungen im Boligen und Erlen. Im gleichen Jahr gab der Gemeinderat bekannt, das eigene Krauchbachprojekt sei in Arbeit und die NOK verhandle mit der Spinnerei Spälty über eine Ablösung der Krauchbachkonzession. Zwei Jahre später waren die geologischen Untersuchungen und Berechnungen für die Krauchtalwassernutzung immer noch im Gang, 1964 und 1965 machte die SN Sondierbohrungen im Krauchtal. 1966 fiel dann der Entscheid, ein neues Krauchbachwerk werde in absehbarer Zeit nicht realisiert, da der Fokus der Schweizer Stromwirtschaft neu auf thermischen Kraftwerken (Öl und Atom) liege.

Nach der Schliessung der Spinnerei Spälty 1967 kam deren Krauchbachwerk wieder ins Gespräch. Der Gemeinderat bestellte ein Gutachten zur Frage, ob bei nichtindustrieller Weiterverwendung des Spinnereiareals dessen Wasserrecht von der Gemeinde zurückgefordert werden könne. Schon im folgenden Jahr musste sich die Gemeinde gegen den vertragswidrigen Verkauf von Strom ausser die Gemeinde an die SN durch den Bund als neuen Eigentümer wehren. 1969 vertrat der Gemeinderat den Standpunkt, ein Kauf und Eigenbetrieb des Kraftwerkes könne wegen der Unterhalts- und Personalfrage nicht angestrebt werden.

Streitobjekt zwischen Gemeinde und Bund: Kraftwerk der ehemaligen
Spinnerei Spälty, 2015.

Mit dem Gemeindepräsidentenwechsel wechselte 1972 auch die Gangart. Man machte mit dem Beizug eines Advokaten und dem inzwischen eingetroffenen Wasserrechtsgutachten Druck beim Bund, der darauf in Verhandlungen einwilligte. Bald war für beide Parteien klar, dass das Wasserrecht der Gemeinde gehöre, die Anlagen aber Eigentum des Bundes seien. «Gütliche Verhandlungen» waren damit angezeigt. Diese verliefen zäh und mit Unterbrüchen, denn es mussten der Anlagenwert und die voraussichtlichen Betriebskosten festgestellt sowie die Betreiberfrage und die Stromverwendung festgelegt werden. 1977 wurde von Matt ein Gang vor Gericht vorbereitet, dieser jedoch durch Vermittlungsverhandlungen aufgeschoben.

1979 schlug der Bund die Möglichkeit eines gemeinsamen Eigentums vor. Nach einigem hin und her einigte man sich auf diese Eigentumsform, den Betrieb durch die Gemeinde und die Stromlieferkonditionen für die Militäranlagen in Matt. Die Gemeindeversammlung vom 22. Februar 1980 genehmigte den Vertrag diskussionslos und kurz darauf unterschrieb ihn auch Bundespräsident und Militärdepartementschef Chevallaz. Ab dem 1. April bezog das EWM Strom vom Krauchbachwerk. Damit hatte Matt sein (halbes) Kraftwerk. Ab 1992 kamen Bestrebungen in Gang, das Werk weiter zu entwickeln. Der Bund war bereit, dies im Rahmen seiner jeweiligen Anteile finanziell mitzutragen. Alles, was über eine reine Sanierung des Bestehenden hinausging, hatte jedoch das EWM zu berappen, konnte aber auch über den Mehrertrag verfügen.

Parallel zu den Kraftwerksgeschäften waren auch die Verteilanlagen weiter auszubauen. 1972 war eine Erneuerung der TS Turnhalle sowie die Verkabelung ins Trämligen notwendig. 1974 wurde der Militärparkplatz im Obererlen ans Netz angeschlossen. 1977 wurde in den Weissenbergen der Stangentrafo durch eine TS im Suterheimet ersetzt und 1978 folgte der TS-Neubau bei der Seilbahnstation im Trämligen samt Verkabelung des Quartiers. Nach Erstellung der Dorfumfahrung sanierte man ab 1979 die Dorfstrasse und montierte eine zeitgemässe Beleuchtung. Von 1984 – 1987 waren Verkabelungen auf den Weissenbergen, im Auen, vom Wysswand bis Waldgüetli sowie der Trafo im Brummbach an der Reihe.

Die Trafostation Trämligen neben der Weissenbergbahnstation,
2021.

1986 realisierte man im Primärnetz den Spannungsumbau von 8 auf 16 kV inklusive Trafowechsel im Kraftwerk und Verkabelung der Weissenbergezuleitung. 1987 war die Netzerweiterung im Tschogglen in Ausführung. Von 1991 – 1999 vervollständigte man Schritt für Schritt das Ringleitungsnetz samt anfallenden Anpassungen und Erweiterungen, zuerst östlich und dann westlich der Dorfstrasse. Damit verschwanden bis 2000 fast alle Freileitungen. Ab 2002 konnte die Verkabelungen im Krauch, Sand, Geissberg und Stalden fertiggestellt werden. Bis zum Übergang des EWM an die Technischen Betriebe Glarus Süd waren vor allem vom ESTI verlangte Sicherheitsarbeiten an den Trafostationen auszuführen. Dazu kamen 2006 ganz neue Anlagen in der TS Turnhalle und 2008 ein neuer Trafo mit Schaltanlage in der TS Talstation.

Betrieb und Finanzen

Die Gemeinderechnung 1916 weist Einnahmen für Lichtzins von 1’789 Franken und für Lampen von 273 Franken aus; 1917 waren es 2’541 Franken, wobei drei Viertel dieses Betrages an Spälty gingen. 1919 erscheint mit Schreiner Fritz Marti der erste Kraftstromabonnent. Für die Bedienung der vier Strassenlampen wurden 20 Franken ausgegeben. Einen neuen Ausgabeposten gab es 1922 mit dem Wartgeld von 100 Franken für «Gemeindeelektriker» Emil Stapfer. Einen Spezialfall stellte die Kirche dar, denn den Strom für die Beleuchtung lieferte die Gemeinde, denjenigen für den Orgelmotor direkt die Firma Spälty.

Schluss der Abonnentenliste von 1935.

Nach dem Lieferantenwechsel 1931 von Spälty zum EW Schwanden wurde im neuen Reglement u.a. festgehalten, dass (fast) überall mit Zähler abgerechnet werde, eine Minimale von 50 Franken für Lichtstrom zu bezahlen sei und bei Anschlüssen von mehreren Motoren Spezialregelungen gelten sollen. Im ersten Betriebsjahr wurde für Lichtstrom 9’124, für Wärme 2’410 und für Kraft 6’953 Franken eingenommen, wobei beim letzten Betrag allein auf den Steinbruch Bitzi 5’543 Franken entfielen. Wegen der neuen Bezugsmöglichkeiten fiel der Apparateverkauf mit 5’224 Franken sehr hoch aus. Das Abonnentenverzeichnis listet 145 Positionen auf.

In der Gemeinderechnung 1932 wird von der ausführenden Firma Dürst & Sutter und vom Tagwenvogt als Werkverantwortlichem Rechenschaft über die erheblichen Mehrkosten von rund 4’200 Franken (70 %) beim Netz(um)bau abgelegt. Der Hauptgrund war eigentlich erfreulich, denn viel mehr Abonnenten als angenommen wollten von der neuen Möglichkeit für Kraft- und Wärmestrombezug Gebrauch machen. Das erforderte aber weitgehend den Wechsel vom Zwei- zum Vierleitersystem mit entsprechendem Drahtmehrverbrauch. Weiter wechselte man noch bestehende Aluminium- oder gar Eisendrahtleitungen aus und profitierte dabei vom tiefen Kupferpreis. Auch bei den Hausanschlüssen gab es – wen wunderts – einige Überraschungen. Fazit: «Das Hauptnetz wird nun aber auf Jahrzehnte hinaus auch bei viel grösserem Konsum genügen und befriedigen.»

Kosten der Netzerweiterung auf die Weissenberge in der EW-Rechnung
1935: Gesamtkosten Fr. 19’127.60, Subventionen Fr.
9’166.60.

1934 wurden Tarifvergünstigungen zu Gunsten einer höheren Abschreibungsrate noch zurückgestellt, drei Jahre später aber mit durchschnittlich 20 % vom Gemeinderat beantragt. Die bereinigten Tarife betrugen – auch in den Weissenbergen – für Licht 40 Rp./kWh sowie eine Minimale von 40 Franken. Bei der Wärme verlangte man sommers 8 und winters 10 Rp./kWh und auch eine Minimale von 40 Franken. Der Krafttarif blieb gleich (keine Angaben) bei einer Minimalen von 50 Franken pro installierter PS. Die Sonderregelung für den Steinbruch sah einen Aufschlag von 0.8 Rappen auf die Gestehungskosten (Einkauf und Nebenkostenanteil) vor.

1943 waren die Anlagen abgeschrieben und es konnte ein Erneuerungsfond mit 7’000 Franken geäufnet werden. Weiter wurden die Minimalen um gut 10 % herabgesetzt und das Licht-Kilowatt auf 35 Rappen festgesetzt. 1955 bezog die Gemeindekasse erstmals Geld vom EW und zwar 6’000 Franken für den Baufonds. 1962 stiegen erstmals die Strompreise im Matt und es wurde die kostenlose Stromzuführung bis ans Gebäude eingeschränkt. Für die Ermöglichung des neuen Wärme-Niedertarifs schaffte man Rundsteuerungsempfänger an. 1970 wurde beschlossen, auf freiwilliger Basis schrittweise zum Einheitstarifsystem überzugehen. Die Eckwerte dazu waren eine monatliche Grundgebühr von 10 Franken sowie ein Hochtarif von sommers 8 und im winters 10 Rp./kWh und ein Niedertarif von 5 resp. 6 Rp./kWh.

Steinbruch Bitzi der Baufirma Marti; Arbeiter bei der Bahnwaage in
den 1930er-Jahren.

Damit die Ferienhäuser mit ihrem niederen Verbrauch dennoch die Infrastrukturkosten mittrugen, erhob man ab 1972 einen Anschlussbeitrag von 60 Franken pro Ampère an der Hauptsicherung. Die Tariferhöhung von 1974 wurde durch die Tarifrevision des EWS ausgelöst. 1931 betrug der kW-Einkaufs-Preis 6½ Rappen und die jährliche Zuleitungspauschale 500 Franken. Im Versammlungsprotokoll von 1961 – also 30 Jahre später – ist von einem Teuerungsfaktor von 1.46 (= 9½ Rp.) die Rede. Im Vertrag mit dem EWS wurde neu das System von Leistungspreis per kW des Jahresmaximums sowie Arbeitspreis pro bezogene Kilowattstunde eingeführt, was ungefähr 12 Rp./kWh. alte Berechnung ergab.

Mitte der 1970er-Jahre begann die Zeit der grossen Kreditbegehren für die Infrastruktur; allein von 1976 – 1978 betrugen die bewilligten rund 400’000 Franken. Parallel dazu waren bis 1994 Tariferhöhungen fast ein Zweijahresritual. So musste man 1977 auf den Hochtarifen durchgehend einen Rappen mehr verlangen und die Minimalen erhöhen. Die Übernahme 1980 des «halben» Krauchbachwerkes mit seinen moderaten Gestehungskosten brachte etwas Luft bis 1984, als wieder durchgehend um einen Rappen aufgeschlagen werden musste. 1980 wurde das Reglement von 1937 abgelöst. 1985 ergab sich die Möglichkeit eine Vollzeitstelle für einen Einheimischen zu schaffen, die den Unterhalt und Betrieb des Krauchbachwerkes, des EWM-Netzes und der ARA Engi umfasste.

Strassenlampe im Krauch um 1970.

1982 legte der Lampenwart Fritz Schuler nach rund 60 Jahren täglicher – und vorallem nächtlicher – Pflichterfüllung seine Stangensteigeisen weg. 1985 ist nachzulesen: «Der Tagwenvogt teilt als EW-Verwalter mit, dass er bei X. einen Münzzähler einbauen wollte. X. erklärte, wenn dies geschehe, ziehe er sofort samt seinen Angehörigen von Matt weg und lasse alles liegen. Über solche Schicksale kann der EW-Verwalter nicht allein entscheiden.» 1986 ging die EW-Verwaltung vom Tagwenvogt an die Gemeindeverwaltung über und 1989 wurde die EDV eingeführt. Im Frühjahr 1993 führte «einmal mehr» eine fehlerhafte Kupplerschaltung zu Überspannung, welcher diverse Waschmaschinen zum Opfer fielen. ¹⁰

Ende 1991 musste auf die Gründung der Genossenschaft für Sonnenenergieanlagen Sernftal (GSS) im EW-Reglement mit Rücklieferungsvorschriften für Kleinproduzenten reagiert werden. 1994 erhielt die Tür der TS-Gädmeren mit tatkräftiger Unterstützung durch Schüler einen neuen Farbanstrich. 1996 bezweifelte ein Abonnent den richtigen Gang seines Zählers; das EWM liess ihn unter der Bedingung kontrollieren, dass bei intaktem Apparat es die Kosten abwälzen könne. Wer bezahlt hat, ist leider nirgends vermerkt.

Unterschriften von Gemeinde und Bund zum Ausbauvertrag für das
Kraftwerk, 1998.

Um einiges grössere Beträge ging es Ende 1996, als die a. o. Gemeindeversammlung dem Baukredit von 3.47 Mio. Franken für die Kraftwerkserweiterung zustimmte. Der Bund als Mitbesitzer beteiligte sich mit 1.21 Mio. und für den verbleibenden Rest griff man mit 1,1 Mio. auf das «Eingemachte» des EWM zurück. Das Projekt wurde 2000 innerhalb des Kreditrahmens abgerechnet. Für den Absatz des zu erwartenden Überschusstromes führte man 1997 Verhandlungen mit dem EWE und dem EWS. Im Frühjahr 2000 ging man davon aus, dass Ende Jahr im Dorf die letzten Freileitungen abgebaut sein werden. Daher liess man einen neuen Leitungskataster erstellen und um der neuen Situation mit dem ausgebauten Kraftwerk gerecht zu werden, beauftragte man einen auswärtigen Fachmann mit der Neufassung des EW-Reglements.

Als 2001 das EWM eine Kostenrechnung für Kabelverlegungen beim EWS überprüfen liess, geriet dies den Verantwortlichen des EWE in den falschen Hals und sie liessen wissen, man sei der wichtigere Geschäftspartner (Überschusstromabnehmer) für Matt als das EWS. Gegen Ende des gleichen Jahres wies man den Werkführer an, unverzüglich mit den entsprechenden Grabarbeiten im Krauch zu beginnen, damit an der baldigen Gemeindeversammlung nicht gefragt werden könne, warum es für das Kreditbegehren einen « Kästlibeschluss» gebraucht habe. Und noch eine Reminiszenz: Im folgenden Jahr wurde in den Weissenbergen eine Strassenlampe individuell ausschaltbar geplant, weil der anstossende Hausbesitzer eine Sternwarte betreibe.

Gädmern-Brunnen im 2021; wo ist hier die Trafostation?

Bereits 1991 wurde von Bürgerseite gefordert, es sei kein Geld mehr an die Gemeindekasse abzuliefern, da dies eine indirekte Steuer sei. Gegen die langjährige Praxis, der Gemeindekasse als Kreditor zu dienen, wurden hingegen bei einem Zins von 3 % keine Einwände gemacht. 2001 gewährten die Stimmbürger sich einen fast totalen Schuldenerlass von einer halben Million Franken, doch bereits zwei Jahre später betrug die Schuld wieder über 560’000 Franken und am Ende des Jahrzehnts 720’000 Franken! 2005 geriet auch die Gewohnheit, die Luftseilbahn Weissenberge jährlich mit 15’000 Franken aus der EW-Kasse zu subventionieren, in die Kritik; damit wurde jedoch bis 2009 fortgefahren. Mit diesen Praktiken konnten immerhin die kritischen Gemeindefinanzen etwas stabilisiert werden.

Früher Zeichen der Modernität – heute
Nostalgieobjekt.

2003 wurde in der Verwaltung eine neue EDV-Software eingeführt und alle Daten neu erfasst, was eine «gewisse Verzögerung» in der Stromrechnungsstellung bewirkte. Diese bestand darin, dass in diesem Jahr approximative Beträge eingefordert wurden und im folgenden die Rechnungen an Gewerbetreibende «vergessen» gingen. In immenser Zusatzarbeit mussten alle Rechnungen kontrolliert und ein Viertel davon in Handarbeit korrigiert werden. «Es gibt Einwohner in Matt, die bewusst oder unbewusst zweimal Weihnachten hatten und keine Gebühren- bzw. Stromrechnungen erhielten.» An der Software lag es wohl kaum.

2005 musste das Sanierungskreditbegehren für die TS-Turnhalle zurückgezogen werden, weil das EWE eine unvollständige Offerte erstellt hatte. Im Zuge der Strommarktliberalisierung und der damit fallenden Strompreise konnte 2006 ein Rabatt von 10 % auf die geltenden Tarife gewährt werden. Ebenfalls finanziell glimpflich lief 2007 ein Maschinenschaden samt Produktionsausfall von 19 Tagen ab, da die Versicherung mitzahlte. Hingegen mussten zwei Jahre später der Turbinenrad-Ersatz und eine Schieberreparatur ganz auf eigene Rechnung genommen werden. Mit der Gemeindefusion ging 2011 auch das EW-Matt samt Kraftwerkanteil in den TBGS auf. ¹²

Kraftwerk

Anfang des Konzessionsvertrages vom 15. April 1902 mit der Firma
Caspar Spälty für das Krauchbach-Wasserrecht.

1867 liessen die Brüder Rudolf und Caspar Spälty aus Netstal zu ihrem neuen Spinnerei-Etablissement auch eine Wasserkraftanlage am Krauchbach bauen. Die Wasserfassung befand sich unterhalb der Waldibachruns auf etwa 910 Metern. Von dort führte ein überdeckter Kanal zum Bödeli bei der Krauchegg in ein Wasserhäuschen. Ab diesem bestand eine Röhrenleitung zur Fabrik. Über Bauart, Lieferant und Leistung der ersten Turbine ist nichts mehr bekannt. Dasselbe gilt für die meisten Kraftanlageteile der Erneuerung von 1902/03. Hingegen entsprachen die zugehörige Wasserfassung auf ca. 930 Metern und die Druckleitungsführung weitgehend dem aktuellen Werk.

Beim Unwetter von 1911 vom Krauchbach freigelegte Druckleitung beim
Krauchegg.

Man kann davon ausgehen, dass ab 1903 zwei Turbinen installiert waren, wovon die grosse mit 500 l/sec. Schluckvermögen und geschätzten 300 PS (220 kW) die Transmission antrieb und die kleine, die 1917 durch eine Peltonturbine mit 50 l/sec. und 37 kW ersetzt wurde, einen Generator für die Fabrikbeleuchtung. 1948 wurde der Betrieb ganz elektrifiziert und dafür das heutige Maschinenhaus erstellt. Zur Aufstellung kam neu als Gruppe 1 eine Francis-Spiralturbine von Escher-Wyss (317 kW) mit einem direkt gekuppelten BBC-Synchrongenerator und als Gruppe 2 die vorhandene kleine Peltonturbine mit einem neuen BBC-Generator. Ab 1980 lieferte das Werk im Vollbetrieb rund 2 GWh Strom.

Links: Wasserfassung von 1903 vor Umbau, 1995. Rechts: Peltonturbine
von 1917 und Schaltwand, 1995.

Links: Reihe: Francis-Spiralturbine von 1948 vor Revision, 1995.
Rechts: Wasserfassung umgebaut, 2000.

Die Um- und Neubauten von 1999 umfassten eine Totalsanierung der Wasserfassungsbauten und den Neubau der Druckleitung mit 70 cm Lichtweite (alt 50 cm). Weiter die Revision der Gruppe 1 mit Leistungssteigerung auf 331 kW und den Einbau einer neuen Gruppe 2 mit einer Francis-Spiralturbine von VA-Tech/Escher-Wyss mit 400 l/sec. Schluckvermögen und 267 kW Leistung sowie direkt gekuppeltem Bartholdi-Synchrongenerator. Und schliesslich die Totalerneuerung der Schalt-, Mess- und Steuerungsanlagen. Das Werk kann im Inselbetrieb gefahren werden. ¹³

Links: Francis-Spiralturbine von 1948 nach Revision, 2000. Rechts:
Neue Francis-Spiralturbine von 1999.

Kraftwerkspläne

Für einen Eigenausbau des Krauchbaches bestellte Matt Ende 1984 ein Vorprojekt mit Plänen, das eine kosten- und energiemässig günstige Lösung unter Berücksichtigung von Umweltverträglichkeit und Restwasser aufzeigen sollte. Im Herbst 1986 wurden vom Ingenieurbüro Locher zwei valable Varianten vorgestellt, eine mit Wasserfassung auf 1220 Meter im Bruch mit rechtsseitiger und eine auf 1130 Meter beim Geisssteg mit linksseitiger Ableitung mit Gestehungskosten pro Kilowattstunde von etwa 11 Rappen. Die Sache wurde nicht weiterverfolgt. Ab 2008 gab es im Hinblick auf das Sanierungsprojekt der Matter Wasserversorgung noch Abklärungen für zwei Trinkwasser-Kraftnutzungen im Reservoir Chnü und in der Brunnenstube Stutz. Die Gemeindeversammlung vom 16. Juni 2010 stimmte einem Kredit von 50’000 Franken zu. Die bauseitigen Arbeiten wurden von der neuen Gemeinde Glarus Süd ausgeführt, mit den elektrotechnischen Anlagen wird noch zugewartet (Stand 2018). ¹⁴

Statistik: Elektrizitätsversorgung Matt

Gegründet: 1916

Lieferanten: EW Schwanden / SN

Eigenwerk: Krauchbachwerk (hälftiger Anteil ab 1980).

1910 1935 1960 1985 2010
Mitarbeiter, inkl. Leitung Teilzeit Teilzeit
Umsatz Werk (CHF) 2’541 19’565 42’099 280’928 590’060
Wert Strassenbeleuchtung (CHF) 250 ~1’500 13’522
Abgaben an Gemeinde 618 7’000 15’000 15’000
Ausleihe an Gemeinde 400’000 720’253
Stromabsatz (MWh) 1’841 2’500
Eigenproduktion (MWh) 2’124 3’725
Kabelnetz MS (m) ~2’500
Freileitungsnetz MS (m) ~500
Trafostationen Ebene 6 (Stk.) 1 1 2 6 6
Kabelnetz NS (m) ~13’800
Freileitungsnetz NS (m) ~1’7000
Rundsteuerungsanlagen (Stk.) 1 1 durch EWS
Anschlüsse MS (Stk.) 6
Anschlüsse/Abonnenten NS (Stk.) 139 ~320
Strassenlampen (Stk.) 4 18 ~30 68
Wartung
1920 – 1982 Lampenwart Fritz Schuler (Spinnermeister und Elektriker)
1980 – 2010 Anlagenwart Heinrich und Dietrich Elmer (EMD/VBS)
1920 – 2010 Wartung Kraftwerk Oswald Hefti (zusammen mit ARA Sernftal)
Weiter: Elektrizitätswerk Elm

Dieser Text ist ein Auszug aus «Strom fürs Glarnerland» von August Berlinger, erschienen 2022 und erhältlich im Buchhandel (ISBN 978-3-033-09268-6).

Beiträge in dieser Serie